Dramatisches Hochwasser an Lein und Kocher: langes Wochenende in Abtsgmünd
icon.crdate05.06.2024
Die starken Regenfälle der letzten Tage verhießen nichts Gutes. Bereits am Mittwoch vergangener Woche wies Bürgermeister Armin Kiemel aus dem Ur-laub den Kommandanten der Abtsgmünder Feuerwehr darauf hin, dass bei an-haltenden Regenfällen eine dramatische Hochwasserlage am Wochenende auf die Gemeinde zukommen werde. Deshalb stimmte sich der Bürgermeister, zu-gleich Vorsitzender des Wasserverbandes Kocher-Lein, auch bereits im Vorfeld zu diesem Zeitpunkt mit dem Technischen Betriebsleiter und dem Bauhofleiter des Kocher-Lein-Verbandes ab.
Die starken Regenfälle der letzten Tage verhießen nichts Gutes. Bereits am Mittwoch vergangener Woche wies Bürgermeister Armin Kiemel aus dem Urlaub den Kommandanten der Abtsgmünder Feuerwehr darauf hin, dass bei anhaltenden Regenfällen eine dramatische Hochwasserlage am Wochenende auf die Gemeinde zukommen werde. Deshalb stimmte sich der Bürgermeister, zugleich Vorsitzender des Wasserverbandes Kocher-Lein, auch bereits im Vorfeld zu diesem Zeitpunkt mit dem Technischen Betriebsleiter und dem Bauhofleiter des Kocher-Lein-Verbandes ab.
Am Freitag spitzte sich dann nach den ersten ergiebigen Regenfällen die Lage allmählich zu. Die Pegel von Kocher und Lein standen rund um die Uhr unter Beobachtung, denn sie stiegen kontinuierlich. In solchen Fällen werden Prognosen berechnet, wie sich der Wasserspiegel im Verhältnis zu den erwarteten Regenfällen entwickeln kann. Diese Prognosen waren ernst, aber noch nicht dramatisch. Noch verhielten sich die Flüsse absolut berechenbar.
Die elf Hochwasserrückhaltebecken des Kocher-Lein-Verbandes, die einen Gesamtstauraum von über 13 Mio. Kubikmetern bieten, stauten sich kontinuierlich ein. Bürgermeister Kiemel beriet sich intensiv mit dem Technischen Betriebsleiter des Kocher-Lein-Verbandes Marty Straßer und dem Bauhofleiter Bernd Stäb, welche Möglichkeiten eingesetzt werden könnten, um das Hochwasser zu steuern. Denn derartige prognostizierte Wassermengen sind selten, aber keine unerprobte Gefahrensituation. 1957 wurde der Verband nach wiederholten schlimmen Hochwasserereignissen gegründet und bietet seither nicht nur mit einer 35 ha großen Wasserfläche aller Seen Lebensraum für Flora und Fauna, sondern vor allem auch Hochwasserschutz für drei Landkreise und 18 Gemeinden im 250 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet der Lein.
Der Samstag brachte keine Wetterbesserung. Aber noch waren die Einstaumengen kalkulierbar. Im engen Kontakt aus Bürgermeister, Kocher-Lein-Verband und örtlicher Feuerwehr überlegte man, ob durch gezieltes Ablassen von Wasser aus den Staubecken für eventuelle weitere Regenfälle Platz geschaffen werden könnte. Am Sonntagnachmittag zeichnete sich, sollte es nicht weiter regnen, eine Entspannung ab.
Am Sonntagabend änderte sich die zuerst noch stabile Lage schlagartig: vor allem örtliche Starkgewitter mit extrem hohen Wassermengen ließen jetzt kleine Nebenflüsse und Bäche zu unkalkulierbaren Wassermassen werden, die sich in die Lein ergossen. Ab diesem Zeitpunkt waren alle Verantwortlichen in höchster Bereitschaft. Die Frage, die für die Koordination entscheidend war: Stand ein Jahrhunderthochwasser bevor oder gar noch schlimmer ein "HQextrem"? Im Hochwasserschutz gibt es verschiedene Kategorien, die unterschiedliche Sicherungsmaßnahmen erforderlich machen. Als "Jahrhunderthochwasser" gilt ein besonders schweres Hochwasser, wie es rein rechnerisch nur alle 100 Jahre vorkommt.
Zu diesem Zeitpunkt setzte in Kaisersbach ein Starkregen ein, der innerhalb von drei Stunden über 100 Liter Regen pro Quadratmeter brachte. An diesem Wochenende fielen insgesamt 223 Liter pro Quadratmeter in Kaisersbach. Die zusätzlichen Wassermassen, die über die bereits gesättigten Böden fielen, flossen über die Vorfluter in die Becken bzw. in die Lein, die in Kaisersbach (Rems-Murr-Kreis) entspringt. Der Landespegel Schadberg an dem Vorfluter „Blinde Rot“, nordöstlich von Welzheim, konnte den Zulauf zum Hochwasserrückhaltebecken „Hagerwald“ nicht mehr anzeigen, da dieser überhalb des Messbereiches lag. Damit war nun konkret absehbar, dass vor allem über Alfdorf, Täferrot, Leinzell und Heuchlingen eine regelrechte Bugwelle an Wasser auf Abtsgmünd zusteuerte.
Berechnungen ergaben unterschiedliche Szenarien. Innerhalb weniger Stunden könnte das Hochwasser der Lein ohne Pufferung die 57 km von der Quelle bis Abtsgmünd zurücklegen. Der von Landrat Dr. Bläse kurzfristig eingerichtete Krisenstab aus Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden, Kreisbrandmeister und Hochwasserexperten, tauschte sich ab Sonntagnacht via Videokonferenz in kurzen Abständen aus. Die Telefone zwischen Landratsamt, Kocher-Lein-Verband, Feuerwehr, Rettungsdienste, Hochwassertechnikern und Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden rissen nicht ab.
Die Becken des Kocher-Lein-Verbandes waren zu diesem Zeitpunkt bereits maximal befüllt und konnten kein weiteres Wasser mehr aufnehmen. Die Hochwasserentlastungsanlagen der einzelnen Becken setzten nach und nach ein. Das heißt, das zufließende Hochwasser konnte in den Hochwasserrückhaltebecken nicht mehr gepuffert werden und floss mengenmäßig ungehindert durch. Der Krisenstab im Landratsamt stufte unter diesen Parametern das Hochwasser in die allerhöchste Kategorie „HQextrem“ hoch. Bürgermeister Kiemel, der im ständigen Austausch mit dem Krisenstab, dem Kocher-Lein-Verband, dem Feuerwehrkommandanten Heiko Bernthaler und dem 1. stellvertretenden Bürgermeister Robert Kruger, der ebenfalls im Abtsgmünder Rettungszentrum war, stand, entschied, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, dass die Abtsgmünder Feuerwehr die Menschen vor Ort informierte und in den besonders gefährdeten Bereichen evakuierte.
Feuerwehrkommandant Heiko Bernthaler und Robert Kruger wurden unmittelbar im Rettungszentrum Abtsgmünd von Kreisbrandmeister Straub weiter informiert. Von da an arbeiteten zahlreiche Feuerwehrmänner und -frauen, Polizistinnen und Polizisten, Rettungskräfte, sehr viele Helferinnen und Helfer sowie der Abtsgmünder Bauhof an der Maßnahmenplanung und -umsetzung, um der drohenden Hochwassergefahr in Abtsgmünd bestmöglich entgegenzuwirken und vor allem Personenschäden zu verhindern.
Feuerwehrkommandant Heiko Bernthaler berief sofort den Führungsstab der Abtsgmünder Wehr ein. Es rückte zusätzlich Verstärkung aus Hohenstadt, Pommertsweiler und Untergröningen an. Gemeinsam baute man im Rettungszentrum Abtsgmünd ein Führungszentrum auf, wo ein zehnköpfiges Team Einsätze, Maßnahmen und Vorkehrungen koordinierte.
Nachdem die Bevölkerung über ein mögliches Hochwasser informiert worden war, gab es nur eine kurze Verschnaufpause für die Feuerwehr, denn die Situation wurde mit der Hochstufung zum „HQextrem“ verschärft. Mit drei zusätzlichen Mannschaftstransportwagen von umliegenden Wehren wurden hilfsbedürftige Bürgerinnen und Bürger in der Gefahrenzone in Fluss- und Engpassnähe evakuiert. Das DRK, die Malteser und die Beschäftigten der Stiftung Haus Lindenhof evakuierten mit tatkräftiger Unterstützung der Wehr das ebenfalls in der Gefahrenzone liegende Pflegeheim St. Lukas mit 45 Bewohnern nach Schechingen.
Zuerst war die Kochertal-Metropole als Sammelpunkt für die Bürgerinnen und Bürger vorgesehen. Nach der Erhöhung der Warnstufe wich die Gemeinde aber auf die Turnhalle in Pommertsweiler und das Dorfhaus in Neubronn aus. Hier wurden die vielen untergebrachten Bürgerinnen und Bürger vorbildlich von zahlreichen Helferinnen und Helfern bis zur Aufhebung der Evakuierung versorgt. Schulen, Kindergärten, Rathaus und Geschäfte im Hauptort blieben am Montag geschlossen. Einige Straßen vorerst gesperrt.
Im Laufe des Montags wurden in Täferrot, Leinzell und Heuchlingen, nachdem die Hochwasserspitze die Orte passiert hatte, die ausgesprochenen Evakuierungen aufgehoben. Um 17 Uhr erreichte die Spitze der Wassermassen mit einer exakten Höhe von 300 cm in der Lein im Bereich Hallgarten die kritische Engstelle des Hauptortes. Der Wasserspiegel des Kochers hatte in den letzten Stunden bereits sehr deutlich abgenommen, da es in dessen Einzugsgebiet keine örtlichen Starkregenereignisse gegeben hat. Danach sank der Pegelstand der Lein und es war offensichtlich, dass das Schlimmste überstanden war. Die Evakuierung und Straßensperrungen konnten dann ebenfalls aufgehoben werden.
Bürgermeister Kiemel lobte das schnelle, koordinierte und äußerst präzise Arbeiten von Feuerwehr, Polizei, Rettungsorganisationen, Bauhof, Kocher-Lein-Verband, aller Helferinnen und Helfer sowie des Krisenstabes im Landratsamt: „Eine Nacht und ein Tag, in der alle zu einem großartigen Team wurden. Ein besonderer Dank geht an den 1. stellvertretenden Bürgermeister Robert Kruger und den Feuerwehrkommandanten Heiko Bernthaler sowie an all diejenigen, die Nacht und Tag durchgearbeitet haben, um die Bürger in Sicherheit zu bringen und die Situation durch gut überlegte Strategien zu entschärfen. Ein Dank geht auch an die vielen Bürgerinnen und Bürger für ihr Verständnis für die vorsorglich vorgenommenen Sicherungsmaßnahmen.
Wir sind dieses Mal, trotz einiger Schäden, glücklicherweise glimpflich davongekommen. Einmal durch ein nur örtliches Starkregenereignis in der Sonntagnacht im westlichen Verbandsgebiet. Vor allem aber wegen der Hochwasserrückhaltebecken des Kocher-Lein-Verbandes. Doch wir haben alle wieder einmal gemerkt: Wasser ist einfach nicht berechenbar. Weshalb man Hochwassergefahr immer sehr ernst nehmen muss und nicht zögern darf, wenn es um den Schutz der Bevölkerung geht."