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Gemeinde Abtsgmünd

Ausstellungseröffnung: „Tierische Begegnungen“ von und mit Pieter Lerooij

Artikel vom 28.03.2023

Was machen ein Waschbär, ein Fuchs, zwei Kätzchen und eine kleine Ente gemeinsam in einem Vogelnest? Es sind die „Nestbeschmutzer“ und sie schauen nicht gerade freundlich drein. Sie warten ungeduldig, bis die Vogelmama sie versorgt. Zu sehen sind sie gemeinsam mit zahlreichen anderen tierischen Protagonisten in der Ausstellung „Tierische Begegnungen“ in Abtsgmünd. Zur Eröffnung am 23. März, war der Künstler Pieter Lerooij den weiten Weg aus Ypers in Belgien angereist. Sein Hauptthema sind Tiermenschen oder Menschentiere, wie er sie nennt, die nun bis zum 23. April in der Zehntscheuer ein temporäres Zuhause gefunden haben. So unterschiedlich sie auch sind, sie alle zeigen, wie Menschen sich in Gruppen, in Organisationen, in der Öffentlichkeit verhalten und halten uns somit stetig den Spiegel vor. Im Fall der „Nestbeschmutzer“ geht es Lerooij, der 1958 im Kongo geboren wurde, darum zu zeigen, wie es ist, wenn Menschen Positionen ohne Skrupel einnehmen und dann von der Arbeit anderer profitieren.

Bürgermeister Armin Kiemel begrüßte die anwesenden Gäste und vor allem den Künstler Pieter Lerooij, der schon zum zweiten Mal in Abtsgmünd ausstellt und daher kein Unbekannter mehr ist. Im vergangenen Jahr war er Teil der KISS-Ausstellung Fantasma und seine Arbeiten von Menschen mit Tierköpfen sind vielen Ausstellungsbesuchern im Gedächtnis geblieben, haben zu Diskussionen und intensiven Auseinandersetzungen angeregt. Grund genug für die Kulturstiftung der Gemeinde Abtsgmünd, Lerooij zu einer Einzelausstellung einzuladen.

Heidi Hahn, die die KISS-Ausstellung Fantasma im letzten Jahr kuratiert hatte, führte in das Werk und Leben Pieter Lerooijs ein. In seinen Bildern „begegnen wir den Protagonisten des Künstlers, aber wir begegnen in jedem Bild auch dem Künstler selbst. Weil er das, was er darstellt, nicht darstellen würde, wie er es darstellt, wenn sein Leben nicht verlaufen wäre, wie es verlaufen ist“, erläuterte Hahn eingangs und widmete sich daher ausführlich dem Leben des Künstlers, der durch seine Kindheit und Jugend in einem strengen Elternhaus gelernt hat, zu erdulden und sich infolgedessen aufs genaueste Beobachten verlagert hat.

Davon zeugen auch die Werke, die für die aktuelle Ausstellung in der Zehntscheuer ausgewählt wurden. Lerooij, ist nicht nur ein genialer Erzähler und Regisseur, er beherrscht vor allem sein Handwerk von Grund auf. Ob Radierung, Zeichnung oder Malerei: Er fängt die Emotionen der Figuren, die Lichtsituation des Raums ein, wie die alten Meister und es gelingt ihm stets, eine neue Imagination zu schaffen. Dabei bewahrt er sich über allem seinen ganz eigenen Humor und zeigt uns einen Mix zwischen Augenzwinkern, Ironie und Satire.

Lerooijs Bilder sind aber vor allem eins: Begegnungen mit uns selbst. Lerooij hält dem Betrachtenden den Spiegel vor: mit Raffinesse und putzigen Tierchen. „Und dann geschieht etwas mit uns“, so Hahn, das einen nicht wegschauen, sondern ganz genau hinschauen lässt. Und man erkennt, dass die Tiere eine Seele in ihren Augen haben, jedes ein Individuum ist, das leidet, hofft, erträgt.

„Schon wollen wir ihnen helfend die Hand reichen und schon sind wir gefährlich nah am Bild, ganz nah an den Protagonisten. Und in diesem Moment greift das Bild nach unserer Hand und zieht uns hinein. Wir werden Teil der Szene, wir sind mittendrin und plötzlich sind da nicht mehr nur irgendwelche Tiere, sondern Menschen wie du und ich. Die in bestimmten Situationen, Konventionen gefangen zu sein scheinen, die abwarten, aushalten, ertragen, die sich nicht wehren, nicht laut rebellieren. Jetzt wird’s also ungemütlich, fast gefährlich und deshalb zucken wir rasch zurück und fallen zurück aus der Szene, zurück in unsere Realität, froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Und wir beginnen unwillkürlich Vergleiche zu ziehen zu uns, zu unserem Leben, erklärt Heidi Hahn anschaulich die Wirkung von Lerooijs Arbeiten.

Vergleiche, wie etwa beim Bild „Der Kanalschwimmer“, bei dem das Neugeborene keine Chance hat, sich von den Strapazen der Geburt auszuruhen, sondern vielmehr direkt von der schweigenden Menge ins Rennen geschickt wird. Oder bei „Der Aufseher“: Einer steht ganz oben und sollte den Überblick haben, doch er schaut in die falsche Richtung und alle anderen tun es ihm gleich. Es ist der Querschnitt der Gesellschaft, der unten sitzt: der Duldsame, der Clevere, der Ahnungslose, der Neugierige. Und der, dem sie die Verantwortung für alles übertragen haben, ist der Esel. „Die Treppe“ hingegen zeigt die Geschichte unseres Lebens: Schon beim Start ist ein entspanntes Miteinander nicht möglich, wir haben keine Zeit und keine Hand frei. Oben angekommen erst stellen wir fest, dass es weiter unten Momente gab, die viel zu schnell vorbei gegangen sind.

Jedes einzelne Werk Pieter Lerooijs löse in uns eine Katharsis aus, erläutert Hahn abschließend: „Nicht nur, weil die Bilder großartige Inszenierungen sind, sondern weil wir die einmalige Authentizität dahinter spüren, die diese Szenen geschaffen hat: Die Person des Künstlers selbst, der nicht nur ein Motiv auf die Leinwand gebracht hat, sondern Momente aus seinem Leben, in denen die Kunst selbst ihm das Leben gerettet hat“.

Für den passenden musikalischen Rahmen sorgten Daniel Bengesser und Steffen Köble. Sie spielen zusammen Kompositionen von Daniel Bengesser in sphärischen Versionen mit E-Gitarre und Schlagwerk.

Die Ausstellung „Tierische Begegnungen“ ist bis zum 23. April in der Abtsgmünder Zehntscheuer zu sehen. Öffnungszeiten: samstags 14 – 17 Uhr, sonntags und feiertags 11 – 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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